
Interview
“Die Bilateralen sind für mich mehr als ein politisches Konstrukt – sie sind gelebte Freiheit.”
Für Simone Primavesi sind die Bilateralen die Grundlage für ein grenzenloses und damit kulturell reiches Leben in Europa
Nicole Wiedemeier
Für Simone Primavesi, Leiterin Marketing, Kommunikation & Öffentlichkeitsarbeit beim Sinfonieorchester Basel, ist der bilaterale Weg weit mehr als ein politisches Vertragswerk. Er bedeutet gelebte persönliche Freiheit. Aufgewachsen im Dreiländereck, erlebt sie Europa heute als offenen Raum ohne innere Grenzen. Die Bilateralen ermöglichen nicht nur ihr selbst «grenzenloses» Leben, sondern sichern auch die kulturelle Vielfalt und Flexibilität, die die Arbeit ihres international geprägten Orchesters wesentlich erleichtern.
Frau Primavesi, was bedeutet Ihnen der bilaterale Weg persönlich?
Ich bin im Dreiländereck in Deutschland aufgewachsen und kann mich noch gut erinnern, dass das Überqueren der Grenze in die Schweiz oder nach Frankreich für meine Eltern und Grosseltern immer mit ein wenig Aufregung und Ungewissheit verbunden war. Die Region ist mittlerweile so verschmolzen, dass ich mir gar keine Gedanken mehr mache, in welchem Land ich mich befinde oder welche Grenze ich gerade überschreite. Für mich bedeutet der bilaterale Weg, dass ich mich frei bewegen, arbeiten und leben kann, ohne ständig Schranken im Kopf zu haben. Es ist ein Stück gelebte Freiheit, dessen Wert ich für unschätzbar halte.
Das Sinfonieorchester Basel ist seit vielen Jahren international aktiv und präsent. Wie kommuniziert man die Bedeutung europäischer Kulturbeziehungen gegenüber einem Publikum, wo dieser Zugang heute oft als selbstverständlich wahrgenommen wird?
Gerade weil der Zugang heute oft als selbstverständlich gilt, darf nicht vergessen gehen, wie kostbar und lebendig dieser Austausch ist. Unsere Orchester besteht aus 25 verschiedenen Nationen. Gepaart mit weiteren internationalen Künstler*innen und Solisten*innen entsteht auf der Bühne mehr als Musik – es entsteht ein Dialog der Kulturen, ohne Worte.
Wann ist Ihnen das erste Mal bewusst geworden, welchen Unterschied die bilateralen Verträge für den Kulturbereich – und konkret für das Sinfonieorchester Basel – machen? Gab es ein Schlüsselerlebnis?
Im Kulturbetrieb kommt es immer wieder mal zu kurzfristigen Absagen – sei es durch Krankheit oder andere unvorhergesehene Umstände. Wir sind deshalb darauf angewiesen, schnell Ersatz zu finden – oft innerhalb weniger Stunden. Besonders wertvoll ist dabei der Zugang zu einem grossen Netzwerk von Musikschaffenden aus dem europäischen Ausland, die das passende Repertoire mitbringen. Ein Schlüsselerlebnis dazu war beispielsweise die Aufführung des Verdi-Requiems 2022, als unser Dirigent krankheitsbedingt ausgefallen ist und sein Assistent sehr kurzfristig per Zug aus Mailand nach Basel kam, um einzuspringen. Dank der bilateralen Verträge – insbesondere der Personenfreizügigkeit – ist es möglich, solche Engagements unkompliziert und schnell umzusetzen. Ohne diese Rahmenbedingungen wäre das deutlich aufwendiger, wenn nicht sogar in vielen Fällen unmöglich. Für uns bedeutet das: mehr künstlerische Flexibilität – und vor allem ein verlässlicher Kulturbetrieb für unser Publikum.
Deine Stimme macht den Unterschied – trag dich jetzt gleich ein!
Es ist an der Zeit, zusammen für eine faire Zukunft und eine nachhaltige Europapolitik einzustehen. Denn sie bietet uns Frauen so viele Möglichkeiten! Je mehr Frauen, desto lauter sind wir!